5A_536/2018: Fristwahrung bei falscher Adressierung

Das Bundesgericht beschäftigte sich in diesem Urteil mit der Frage, ob eine Berufung fristgerecht erfolgt ist, wenn sie am letzten Tag der Rechtsmittelfrist der Schweizerischen Post übergeben wurde, die auf dem Umschlag vermerkte Gerichtsadresse jedoch fehlerhaft war und aufgrund dessen erst zu einem späteren Zeitpunkt (nach Rücksendung an den Absender und Neuadressierung) erfolgreich zugestellt werden konnte.


Sachverhalt

Dem Entscheid des Bundesgerichts lag ein Erbteilungsprozess zwischen A., B. und C. zugrunde, in welchem das Bezirksgericht Horgen am 7. Dezember 2017 ein Urteil fällte. Dagegen erhob der Rechtsanwalt von A. Berufung und übergab die entsprechende Berufungsschrift am 5. März 2018 der Schweizerischen Post. Aufgrund der fehlerhaften Adressierung («Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, Klausstrasse 4, 8000 Zürich») sandte die Schweizerische Post diese am 12. März 2018 mit dem Vermerk «Empfänger unbekannt» wieder zurück an den Rechtsanwalt von A.

Infolgedessen versandte dieser die (identische) Berufungsschrift am 12. März 2018 erneut, wobei nun die korrekte Gerichtsadresse («Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, Hirschengraben 15, 8001 Zürich») angegeben wurde. In einem Begleitschreiben wies der Rechtsanwalt von A. auf diese Umstände hin und beantragte, die originalverpackte Sendung sei als fristgerechte Berufung entgegenzunehmen, eventualiter sei die Frist wiederherzustellen

Das Obergericht des Kantons Zürich wies das Fristwiederherstellungsgesuch ab und trat auf die Berufung nicht ein.


Erwägungen

Die Vorinstanz stützte ihren Entscheid im Wesentlichen darauf, dass es der Partei obliege die Post (als Hilfsperson) zutreffend zu instruieren. Es gelte zwar das Expeditionsprinzip, d.h. es spiele keine Rolle, dass die Sendung erst nach Fristablauf beim Gericht eintreffe, allerdings müsse die der Post vor Fristablauf übergebene Eingabe das Gericht danach auch tatsächlich erreichen. Andernfalls hat die Prozesshandlung nicht stattgefunden, da sich ein vom Absender zu verantwortendes Risiko verwirklich habe (E. 3.1).

Gemäss Art. 143 Abs. 1 ZPO müssen Eingaben spätestens am letzten Tag der Frist beim Gericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben werden. Nach dem klaren Wortlaut «ist demnach nicht das Eintreffen der schriftlichen Eingabe am letzten Tag der Frist beim Gericht (sog. Empfangsprinzip), sondern die Übergabe an die Schweizerische Post (sog. Expeditionsprinzip; […])» das entscheidende Kriterium (E. 3.2).

Nach der Aufgabe der Berufungsschrift am 5. März 2018 unternahm die Schweizerische Post zwei Zustellversuche und zwei Adressrecherchen, bevor sie das Schreiben zurücksandte. Demzufolge hatte die Schweizerische Post «die Eingabe vom 5. März 2018 nicht refüsiert, sondern sie entgegengenommen und bearbeitet. Mithin hat eine Übergabe an die Schweizerische Post im Sinne von Art. 143 Abs. 1 ZPO stattgefunden, welche rechtzeitig am letzten Tag der Frist erfolgte» (E. 3.3).

Das Bundesgericht hält zudem fest, dass das Obergericht klar als Empfänger bezeichnet wurde und es der Schweizerischen Post zumutbar gewesen wäre, die Adresse ausfindig zu machen – zumal es schweizweit nur ein «Obergericht des Kantons Zürich» gibt. Daraus folgt, dass «[d]as Erfordernis der Übergabe „zu Handen“ der Vorinstanz im Sinne von Art. 143 Abs. 1 ZPO […] somit ebenfalls erfüllt [ist], sodass die Postaufgabe der Eingabe vom 5. März 2018 als fristwahrend zu gelten hat» (E. 3.4).

Daran vermag auch nichts zu ändern, dass die Berufungsschrift am 12. März 2018 zurückgesandt wurde. Denn: «Beim Versand der Berufungsschrift am 5. und 12. März 2018 handelt es sich um einen einzigen Vorgang, der als Ganzes betrachtet werden muss.» Überdies ist die oben erwähnte Argumentation, die Schweizerische Post habe als Hilfsperson der Beschwerdeführerin gehandelt, nicht mit dem Expeditionsprinzip nach Art. 143 Abs. 1 ZPO vereinbar (E. 3.5).

Unbestritten ist, dass die am 12. März 2018 erneut versandte Berufungsschrift mit jener vom 5. März 2018 identisch ist. Die Berufungsfrist wurde nach Art. 143 Abs. 1 ZPO somit gewahrt (E. 3.6).